Sebastian Kneipp

 

 

                  Die fünf Säulen der Kneipp-Therapie

 

 

                         Wasseranwendungen :

"Die besten Gesundheitsmaßnahmen sind die,
die Stärkendes auch spüren lassen."
(Sebastian Kneipp)

 

Die Hydro- und Balneotherapie ist ein hoch entwickeltes, individuell auf die Bedürfnisse des Einzelnen abgestimmtes Wasserheilverfahren. Das Wasser veranlasst durch thermische, chemische, mechanische oder hydroelektrische Reize den Organismus zu sinnvollen Reaktionen, die insgesamt zu positiven Regulationen aller Körperfunktionen führen. In der Prävention haben Kneippsche Wasseranwendungen ebenfalls ihren Platz. Je nach Befinden wählen Sie aus, was aktuell passt. Es gibt erfrischende, beruhigende, stabilisierende und / oder alle Körpersysteme harmonisierende Bäder, Wickel und Güsse. Und vieles mehr.


Es ist dieses natürliche Heilmittel, das Sebastian Kneipp den Beinamen „Wasserdoktor“ eintrug und das er tatsächlich als wichtiges Fundament für ein gesundes Leben verwendete. Am bekanntesten ist das Wassertreten, bei dem man wie der sprichwörtliche Storch im Salat durch fast kniehohes Wasser im Becken (oder Badewanne, oder Bach, oder was-immer) schreitet. Aber auch Waschungen und Güsse – heiß, kalt oder wechselnd und je nach Bedarf an unterschiedlichen Körperstellen im Einsatz – wirken heilsam und vorbeugend auf den Organismus. Kneipp entwickelte all diese Anwendungen und kombinierte sie individuell. Seine scharfe Beobachtungsgabe und ein stetig wachsendes medizinisches und seelsorgerisches Wissen brachten ihm umfassende Erfahrung und sehr viel heilerischen Erfolg ein. Kneipp hat glücklicherweise viele seiner Fälle und Therapien dokumentiert. Er unterteilte die Wassertherapie in drei Kategorien:

  • Sanfte Reize wecken die Lebenskräfte
  • Mittlere Reize stärken die Lebenskräfte
  • Allzu starke Reize schaden nur, denn sie schwächen den Organismus


Grundsätzlich stärken Wasseranwendungen die Abwehrkräfte und das vegetative Nervensystem, sie wirken harmonisierend auf alle Systeme im Körper und fördern die seelische Gelassenheit.


Das Wasser heilt aber nicht nur durch Temperaturwirkung, sondern es ist auch wichtiger Träger für die Wirkstoffe von Heilpflanzen. Ob als Pfefferminztee für die Stärkung von innen oder mit Badezusatz für die Behaglichkeit, ob Urelement etwa beim Aqua-Jogging – Wasser ist eigentlich von selbst schon eine Art „Doktor“.

 

 

                                  Ernährung :

 

Eine ausgewogene und vielseitige Ernährungstherapie berücksichtigt im Sinne einer naturgerechten Vollwert- oder Basiskost Vollkornerzeugnisse, Frischkostbeilagen, Milchprodukte, Vitamine, Mineralsalze, Fermente und Spurenelemente. Auf alle denaturierten Nahrungsmittel und auf Genussgifte sollte man verzichten. Die gesunde Kost ist Grundlage spezieller Ernährungsformen wie Krankendiät, Reduktions- und Schonkost.

 

Eine gesunde Kost bekommt Ihnen aber auch, wenn Sie nicht krank sind, und beeinflusst Ihre Leistungsfähigkeit im Alltag. Eine bedarfsgerechte, vollwertige, schmackhafte, möglichst naturbelassene Ernährung ist wichtige Voraussetzung für das Wohlbefinden. Sie trägt zum Gesundbleiben wie zum Gesundwerden bei, indem sie die körpereigenen Schutzsysteme fördert.

 

Nicht nur die Zusammensetzung der Speisen spielt für diese Wirkung eine Rolle, sondern auch das „Zusammensetzen“ am Tisch: Genuss, Freude, Ruhe und Zeit gehören ebenso zu einer gesunden Mahlzeit wie Küchenkräuter und Gemüse.

 

Ein paar Tipps

  • Essen Sie vielseitig und abwechslungsreich. Verboten hat Sebastian Kneipp nichts - nur das Übertreiben. Kneipp meinte: „Im Maße liegt die Ordnung. Jedes Zuviel und jedes Zuwenig stellt an Stelle der Gesundheit Krankheit.“
  • Würzen Sie vielseitig: frische Kräuter, Knoblauch, Zitrone, Meerrettich oder Zwiebel
    bieten mehr Geschmacksvarianten als nur Salz und Ketchup
  • Pflanzliche Lebensmittel bevorzugen – am besten fünf mal täglich Obst und Gemüse
    und dafür nur wenig Tierisches
  • Milch (-produkte) am besten täglich genießen
  • Seefisch einmal die Woche in den Speiseplan einbauen
  • Wenig Fett – und wennschon, dann kalt gepresst und nicht raffiniert
  • Viel trinken
  • Genussmittel wie Kaffee und Wein dürfen Sie ruhig dann und wann genießen
  • Heimische Lebensmittel und nach Jahreszeit verwenden
  • Frische Zutaten schonend zubereiten
  • Essen Sie in Ruhe und in angenehmer Atmosphäre

   


Bewegung :

 

Die aktive und "passive" Bewegungstherapie umfasst alles, was gut tut, bis hin zu Bewegungsbädern und Massagen. Bewegung fördert nicht nur die Fitness, sondern auch die Gelassenheit, und hebt die Stimmung. Sebastian Kneipp war ein engagierter Verfechter des Barfußgehens. Er hielt wenig von Hektik und Stress, da beides auf Kosten der Gesundheit geht, und empfahl daher maßvolle Bewegung an der frischen Luft.

 

Übersetzt in die heutige Zeit, bedeutet dies Ausgleichssport: Wandern, Schwimmen, Radfahren, Reiten, Joggen, Walken, Golf, Tennis, Skilang-
lauf, Gymnastik und Vieles mehr – Sportarten, die Spaß machen, die den Kreislauf auf Trab halten und die jeder ganz nach Neigung, Alter und Gesundheit wählen kann.

 

So harmonisiert man nicht nur den Bewegungsapparat, Herz und Kreislauf, sondern auch Stoff-
wechsel und Nerven, kurzum: Alle körpereigenen Systeme finden ihre Balance und machen den Menschen belastbarer, erholter, lockerer, stärker, leistungsfähiger, insgesamt also gelassener gegenüber den Anforderungen des Alltags.

 

Sebastian Kneipp betrachtete seine Patienten ganzheitlich: „Ein abgehärteter Körper besitzt den größeren Schutz vor den Krankheiten der Seele.“ Dabei ist Abhärtung relativ zu sehen: Wählen Sie die Sportart, die Ihrer Persönlichkeit, Ihrer beruflichen Belastung, Ihrer Kondition und Ihrem Alter entspricht. Der eine fühlt sich nur wohl, wenn er täglich 25 Kilometer radelt, für den anderen ist ein einstündiger Spaziergang am Tag genau das Richtige.

 

Wichtig ist, den „Freizeit“-Sport nicht aufs Wochenende und die Urlaubszeit zu verlegen, sondern als festes Ritual ins Alltagsleben einzubauen. Oder, wie die Jogger sagen: „Das Schwierigste am Sport ist der Schritt vor die Tür.“

 

 

 

Pflanzen und Kräuter :

 

„Vorbeugen sollt ihr durch diese Kräuter,
nicht das Übel erst groß werden lassen“
,
riet Pfarrer Sebastian Kneipp seinen Patienten.

 

Für eine verantwortliche Selbstbehandlung eignen sich insbesondere die mild wirkenden Sorten, am besten aus der heimischen Umgebung.

 

Ein bekannter Klassiker ist Kräutertee aus Anis, Kümmel und Fenchel für die Milchbildung beim Stillen. Im Winter lässt sich mit Linden- oder Holunderblütentee bestens gegen Erkältungen vorbeugen, Arnika hilft gegen Zahnfleisch- oder Mandelentzündungen und Rachenkatarrh, Fen-
chel beruhigt die Verdauung, Löwenzahn regt alle Drüsen des Körpers an, Ringelblume erleichtert die Wundheilung und Rosmarin stärkt Genesende – dies sind nur ein paar Beispiele für die Vielfalt der Heilkräuter. Sebastian Kneipp hielt große Stücke auf die Pflanzen und verwendete sie als Badezusätze, Tinkturen, Salben, Tees und Säfte. Dabei stützte er sich auf die lange Tradition der Klostergärten in Europa und entwickelte seine Therapie stetig weiter.

 

Heute hat die reiche Auswahl an Säften und Industriedrinks die Früchte- und Kräutertees weit gehend aus dem Alltag vertrieben – dabei bieten sie eine wohl schmeckende und gesunde Alternative, noch dazu für wenig Geld. In der Kosmetikbranche kommen die Beautyfirmen zurzeit verstärkt auf den Rohstoff „Natur“ zurück – ein Trend ganz im Sinne der Kneipp-Bewegung.

 

 

 

Lebensordnung :

 

Die Ordnungstherapie basiert auf den Prinzipien der Lebensordnung (griechisch: diaita), jenen Anweisungen zur Gestaltung aller Lebens-
bereiche, die zur Erhaltung oder Wiederherstellung von Gesundheit notwendig sind und die seit der Antike einen festen Bestandteil von Gesundheitslehren und natürlichen Heilweisen darstellen.

 

Wird Gesundheit als die stets neu herzustellende Ausgewogenheit zwischen den gesund erhaltenden Kräften im Menschen auf der einen und den belastenden Anforderungen der Umgebung auf der anderen Seite verstanden, dann zielt Ordnungstherapie darauf ab, diese Balance zu erhalten oder wieder herzustellen. Dies geschieht durch jeden Einzelnen selbst, indem er, im Sinne Kneipps, eine gesunde Lebensweise anstrebt, zu der auch das Bemühen um seelische Ausgeglichenheit, Stresstoleranz und soziale Kompetenz gehört.

 

Ordnungstherapie als naturheilkundliches Heilverfahren umfasst alle indirekten (pädagogischen) und direkten (naturheilkundlich-ärztlichen) Maßnahmen, die geeignet sind, jene Ausgewogenheit zwischen Ressourcen und Anforderungen – und damit Gesundheit – zu erhalten oder wieder herzustellen. Hierzu nimmt sie ordnend Einfluss auf die biologischen, die psychosozialen und die spirituellen Regulationsvorgänge im Menschen.

 

Die 5. Säule beinhaltet als Voraussetzung für psychische Gesundheit die Fähigkeit, sich selbst in der eigenen biologischen und seelisch-spirituellen Wesenheit zu sehen und zu akzeptieren und sich inmitten der Beziehungen zu den Mitmenschen und zur belebten und unbelebten Natur in Ausge-
wogenheit weiter zu entwickeln.

 

„Ordnungstherapie“ wird in ihrer umfassenden Bedeutung auch weiterhin nur schwerlich durch einen moderneren Begriff zu ersetzen sein, will man sie nicht auf Teilaspekte wie „Psychohygiene“ oder „Lebensrhythmus“ reduzieren. „Ordnungstherapie“ wird ein wertvolles Behältnis bleiben, dessen Inhalt mit unserem Bewusstsein, mit unseren Erkenntnissen auf dem Gebiet menschlicher Gesundheit und mit unserer spirituellen Reife wachsen wird. (Dr .med.Wolfgang Sattler )